Kerzenzeit ist immer … Bring Blumen mit

Erna schüttelt den Kopf. Unglaublich, die Rosen halten immer noch. Wie lange stehen sie schon in der Vase. …  Sie überlegt. Es können mehr als vierzehn Tage sein. Und das zu dieser Jahreszeit. … Sie hatte Besuch. Ihre Freundin brachte den Rosenstrauß mit. Wie lange hatten sie sich eigentlich nicht gesehen? …  Erna betrachtet Blüte um Blüte, als suche sie Anzeichen der Vergänglichkeit.

„Freu dich doch, dass die Rosen so lange halten …“

Egon scheint zu wissen, was in ihrem Kopf vor sich geht. Manchmal hat es tatsächlich den Anschein, als stünden ihre Gedanken wie auf der Stirn geschrieben. Versunken betrachtet sie die gelben Rosen.

„Im Geschäft waren sie auch schon, die Blumen. Und eine lange Reise haben sie vielleicht auch schon hinter sich. Geschnitten wurden sie, verladen, waren im Kühlen und in der Geschäftsluft. Man kann nur staunen, dass sie noch nicht ihre Köpfe hängen lassen.“

„Haltbarkeitsdatum, Erna, heutzutage  wird alles haltbar gemacht. Nur mit der Elektronik hapert es. Da gebraucht man alle Nasen lang etwas Neues. Der Herd, die Waschmaschine, der Rechner, der Fernseher und gottweisswas sonst noch, alles gibt viel früher seinen Geist. Was hält denn noch ein Leben lang …  Und das, was eigentlich schnell verdirbt, scheint fast unsterblich zu sein.“ Dabei denkt Egon an den Apfel, dem man, vornehm ausgedrückt, sein Alter nicht ansah und er sich wunderte, nachdem er ihn durchgeschnitten hatte. Seiner Meinung nach hätte der Apfel längst unansehnlich aussehen müssen.

„Würden sie nicht haltbar gemacht, die Rosen, Erna, dann gäbe es um diese Jahreszeit kaum Rosen zu kaufen und wenn doch, dann nicht zu dem Preis. Blumen, das bringt Leben, das ist schon was Lebendiges …“

„Haltbar gemacht und lebendig, Egon … wie soll das zusammen gehen ..“

Jetzt beginnt Erna zu grübeln. „Leben Blumen länger, wenn sie haltbar gemacht sind …“

„Erna, sieh es doch mal so …“

„Ich weiß, ich weiß … gefreut habe ich mich über die Rosen. Ich muss jetzt noch an den schönen Nachmittag denken. Ulrike war wirklich sehr lange nicht hier. .. Wär` gar nicht nötig gewesen, die Rosen. Sie hätte nicht extra was mitbringen müssen. Wie schön, dass sie da war.“

Damit umfasst sie traumverloren eine Rosenblüte und betrachtet sie.

„Sie war wirklich lange nicht hier. Vor ein paar Jahren, glaube ich, das letzte Mal. … Richtig schön war es.“

„Haltbarkeitsdatum, Verfallsdatum hin und her, selbst wenn man lange nichts voneinander gehört und gesehen hat, Egon, dann heißt das noch längst nicht, dass man sich nichts zu sagen hat.“

„Aber einfach hereingeschneit kommen nach langer Zeit ist nicht jedermanns Sache. Ihr habt euch  immer gut verstanden … Aus den Augen, aus dem Sinn ist auch keine Seltenheit ..“

„Ja, Egon ein bisschen Mut gehört auch dazu, wenn man sich nach so langer Zeit  meldet. Man weiß ja nie, welche Situation man antrifft … Ulrike und ich, wir hatten uns sozusagen nicht aus den Augen verloren, obgleich wir uns so lange nicht gesehen haben. …  Wie das so ist, man hätte sich schon viel früher mal treffen können … Manchmal ist das Leben wie ein Karussell.“

„Alles nicht so einfach, Erna. Mal trifft man sich in kurzen Abständen und manchmal liegt eine ganze Ewigkeit dazwischen, so wie das Leben eben spielt.“

„Ist noch  Kaffee in der Kanne?“

 

 

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