Kerzenzeit ist immer … Mischprodukte

„Man weiß nie, was drin ist … sieht immer alles so schön aus.“

„Ist zwar alles klar beschrieben, in Prozent sogar. Trotzdem … ob es deswegen gut ist, ich weiß nicht so recht.“

Beide sitzen wie immer zusammen und studieren das Werbeblättchen.

„Müssen ja was Neues auf den Markt bringen. Der Rubel muss rollen, schon wegen der Arbeitsplätze. Kaum auszudenken, wenn alle auf der Straße herumlungern, weil sie keine Arbeit haben.“

„Zum Glück haben wir solche Zeiten nicht erleben müssen. Weißt du noch, was unser Oma, die Mutter von meiner Mutter immer sagte … ? Schlimm muss es gewesen sein, ganz schlimm. Da hätte ich nicht leben mögen. Harte Zeiten.“

Sie blättern weiter. Immer passend trudelt die Werbung ins Haus. Fast als wüssten die Werbefachleute, wann Erna und Egon Zeit haben dafür. Mittwochs und samstags. Immer genau richtig zur Kaffeezeit. Jedenfalls liegt zu dem Zeitpunkt der Einkauf vor und nicht hinter ihnen. Eigentlich praktisch. Information zur rechten Zeit am richtigen Ort. 

„Wir haben uns noch nie bedankt …“, schießt es Erna durch den Kopf.

„Wofür …? Für was …? Haben wir etwas falsch gemacht oder vergessen?

Egon ist überrascht und kann Ernas Bemerkung nicht zuordnen.

„War ein dummer Gedanke, Egon. Dachte nur … also dachte … es schoss mir so durch den Kopf, wie pünktlich genau wir immer durch diese kleine Zeitung zum Durchblättern von allen Kauf-Nachrichten auf dem Laufenden gehalten werden. Immer wieder. Jede Woche. Genau genommen sogar zweimal jede Woche. Und wir haben noch nie bei der Redaktion angerufen …“

„Was willst du bei der Zeitung anrufen …? Willst du unsere Stühle verkaufen oder was? Die müssen die Werbung doch an den Mann bringen. Das ist ihr Job. Sollen froh sein über Leute wie wir, die alles genauestens studieren, was sie schreiben …“

„Egon, ich meine ja nur … ohne Werbe-Nachrichten wüssten wir beiden eine Ecke weniger. Du kennst dich dadurch bestens mit Bohrmaschinen aus, auch nur, weil du ständig vergleichst und siehst, was es Neues auf dem Markt gibt. Und ich guck schon mal bei den Putzmitteln …“

Den Gedanken, dass Erna sich für die wöchentliche Werbung bedanken könnte, erschien ihrem Egon so absurd, dass er darauf nicht näher einging. Es gibt Gedanken, die sitzt man aus, bis sie weg sind, von selbst verschwunden, sich in Luft auflösen, ist seine Meinung.

„Nicht alles aufkochen und hoch kochen lassen, macht nur Arbeit“, ist Egons Erfahrung.

„Das Werbeblättchen hat tatsächlich für jeden etwas, sieh mal Egon. …  Wie ein Tante Emma-Laden in hochmodern. … Fast so, als hätten wir einen hochmodernen Tante Emma-Laden hier neben der Kaffeetasse. … Bunt gemischt. Für jeden Geschmack ist was dabei. … Als Bilderbuch für unsere Kleinen, unsere beiden Enkelchen habe ich es auch schon gebraucht. Bälle hatten sie neulich im Angebot … und mit Oma haben wir die Werbezeitung auch schon zusammen betrachtet … weiß du, als es ihr nicht so gut ging?  … Manchmal erzählt sie dann von früher, als sie eine Schokolade geschenkt bekam.“

„Werbung ist Werbung“, brummt Egon. 

„Man kann zwar eine Menge damit machen … es bleibt Werbung …“

„Schon richtig“, Egon. „Alles, was man macht und tut, was man kauft und nicht kauft, hat viele Gesichter … ich weiß, ich weiß.“

Diesmal hat ihre Zwischendrin-Pause tatsächlich etwas länger gedauert.

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