„Auf der Bank rückt man zusammen, auf dem Stuhl bleibt jeder für sich …“
„Und auf dem Sofa, rückt man dort zusammen oder bleibt jeder in einer Ecke sitzen…?“ Lena will es wissen.
Tante Elisabeth beginnt zu erzählen. Von früher, als alle am Tisch Platz nahmen, wenn das Essen aufgetischt wurde. Es gab eine Eckbank, erzählt sie, am äußeren Rand saß die größte Person, meistens Franz und die Kinder rückten bis in die Eckbankrundung zusammen. Wenn einige von ihnen aufstehen mussten, zum Beispiel weil die Hände klebrig waren, krochen sie unterm Tisch durch nach vorn, um zum Waschbecken zu gelangen. Am Kopfende saß der Vater. Dort war sein angestammter Platz.“
„Der Platz für den Durchblick, sozusagen“, wirft Lena dazwischen.
„Fürs schnelle Aufstehen …“ erzählt Tante Elisabeth weiter: „Mutters Platz war auf dem Stuhl an der Breitseite des Tisches, der Eckbank gegenüber. Der praktische Platz, um schnell zum Herd zu gehen oder um noch eine Kleinigkeit zu holen.“
„Der Bedienplatz also ..“
„Hol mal, mach mal, tu mal … , wenn man darüber nachdenkt, war der sicherste Platz, um alles angereicht zu bekommen, mitten auf der Eckbank, weil man nicht aufstehen kann, ohne andere zu stören ..“, sinniert Lena.
„Wenn Besuch da war“, fährt Tante Elisabeth fort, „der Nachbar zum Beispiel, um kurz etwas zu bereden, saß dieser auf dem Stuhl am Kopfende des Tisches und Vater auf seinem angestammten Platz ihm gegenüber. Manchmal war es auch nur wie eine Stipvisite, wenn der Nachbar zur Tür herein schaute, er sagte etwas oder reichte etwas herein, blieb dabei im Türrahmen stehen und verschwand wieder. Schade, dass es heute diese Kurzbesuche nicht mehr gibt.“
„… So viele Stühle standen also gar nicht in den Räumen, in der Küche oder im Wohnzimmer …?“ Lena hat im Geiste die Personen vorbei marschieren lassen und ist erstaunt, dass die Leute sich so eng zusammengesetzt haben.
„Auf der Bank und auf dem Sofa im Wohnzimmer war immer Platz genug. Und wenn es wirklich nicht reichte, wurde ein Stuhl aus einem anderen Zimmer geholt. Doch meistens rückte man zusammen. Mit der Sofa-Mode von heute wäre man sicherlich damals nicht zurecht gekommen.“
Lena blickt auf.
„Sich auf dem Sofa rumlümmeln wenn Besuch da ist, das hat es auch nicht gegeben. Selbst der Fernseher wurde ausgeschaltet, wenn jemand kam. Alles wurde ordentlich gerückt, die Blumenvase, der Aschenbecher, die Plätzchenschale .. Die Kinder saßen artig neben den Erwachsenen oder gingen nach draußen in den Garten. Groß mitgeredet haben sie nicht, außer, man hat sie gefragt …“
Tante Elisabeth macht eine Pause. Es ist, als sähe sie den Unterschied zu heute. Ob sie die alten Zeiten wiederhaben möchte, wahrscheinlich nicht.
„Waren die Stühle bequem gemütlich früher?“ will Lena wissen. Ob Stühle gemütlich sein sollen … Sie weiß wohl, dass sie auf einigen nicht gerne gesessen hat. Vielleicht wegen der Höhe oder der Rückenlehne oder der Polsterung, sie weiß es nicht. Sie erinnert sich auch daran, dass Opa immer seinen Lieblingsstuhl hatte. Das war einer mit breiten Armlehnen.
Fein erzählte Bank-und-Stuhl-Philosophie!
Mir fällt dazu auch noch der gigantische Thron früherer Kaiser und Könige ein.
Auf jeden Fall ein interessantes Thema und anscheinend spiegeln diese diversen Sitzgelegenheiten auch die Wichtigkeit diverser Personen in der Gesellschaft wider, s.a. Chefsessel im Büro …
Liebe Morgengrüße vom Lu
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Wir hatten auch eine Eckbank und wenige Stühle, trotzdem hat unsere große Familie mit 6 Kindern und vielen Kindeskindern darauf Platz gefunden. Es war eng und gemütlich.
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Was Stühle und Sitzordnung alles verraten. Ein schönes Potpourri durch die Sitzgepflogenheiten und ihre mögliche Bedeutung. Herzlich. Priska
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Ja, wir waren sechs Kinder und es gab nur ein Sofa!
Es war genauso eng, wie im Schlafzimmer. Zeitweise zwei Kinder in einem Bett…
Beste Grüße,
Syntaxia
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Ich habe mal auf einer Bank am Bahnhof gesessen. Der Zug war ausgefallen. Neben mir saß ein mir fremder Mensch auf der Bank. Wir sind „ins Gespräch“ gekommen.
Das war eines der schönsten Gespräche in meinem Leben, an das ich mich erinnern kann.
Gruß Heinrich
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