Kerzenzeit ist immer … Meine Schreibmaschine

Meine Schreibmaschine

Du glaubst es nicht. Die Schreibmaschine lebt. Sie bewegt sich und spricht. Was sie erzählt, nun denn, sie berichtet nicht nur, sie spiegelt die Verfassung. Welche Verfassung, willst du wissen? Nun denn, die Stimmung. Welche Gefühlsduselei, willst du wissen? Mal ehrlich, Stimmungsschwankungen gehören in den persönlichen Bereich. Klar ausgedrückt, mal ehrlich, damit möchte niemand freiwillig konfrontiert werden. Das wahre Leben schreibt Bilder, die man nicht gern betrachtet. Nur meine Schreibmaschine, so ein treues Wesen, gibt getreu die innere Verfassung wieder.

Die alte Schreibmaschine. Möchte nicht wissen, wie viel  Tippex sie in ihrem Leben gesehen hat. Ob ich noch alte Tippex-Reste habe? Keine Ahnung. Die alte Schreibmaschine schreit nur nach neuen Farbbändern, mehr nicht. Das leidige Geklapper, wenn auf ihre Tasten gehauen wird, kennt sie. Erstaunlich, dass sie sich noch nie darüber beschwert hat. Jedenfalls funktioniert sie, trotz ihres hohen Alters, wie eine junge Lady. Die Tasten-Haudrauf-Befehle nimmt sie immer noch gelassen hin und man glaubt es kaum, das Geklingel am Ende einer Zeile, ehrlich, das hat was. Was genau, nun denn, es ist schwerlich in Worte zu fassen. Es klingelt unter den Fingern, wenn die Reihe fertig geschrieben ist. Und das Schöne, es klingelt auf jeden Fall, egal wie viel Fehler der Text enthält. Da mahnt keine automatische Textkorrektur. Man braucht nicht gegen irgendeine Technik anzutreten. Nur der Inhalt zählt, kann man sich einbilden. Meine Schreibmaschine, wie oft wurde sie damals aus ihrem Koffer geholt,  es ist schon gar nicht mehr wahr, so lange ist es her, meine Schreibmaschine, ach, wie vermisse ich dich.

Ich soll nicht übertreiben? Weil die Oldtimermaschine noch auf dem Dachboden ist? Und weil ihre Vorgängerin, die echt mechanische Klappermaschine noch daneben auf ihre Wiederbelebung wartet? Die elektrische Schreibmaschine, zugegeben, wurde bevorzugt bei der Wiederbelebung, zugegeben. Ungerecht? Weil sie einen besseren Start hat als die reine Fingerhackmaschine? Zugegeben. Die rein mechanische Schreibmaschine, ich gestehe, war eine Zumutung fürs Handgelenk. Ein paar Reihen lang die Buchstaben mit Schwung in Bewegung gesetzt und ihnen dabei liebevoll nachgeschaut, zugegeben, danach war die Luft raus. Nicht die Puste aus der Mechanik, nur der Schwung aus den Fingern. Alles muss man üben, trainieren. Diese weisen Sprüche, ehrlich gesagt, sind mehr als überflüssig, wenn die Anstrengung von den Fingerspitzen bis ins Gehirn wandert. Gelinde ausgedrückt, wenn etwas zu viel ist, ruht sich automatisch das Oberstübchen aus.

Die alte Schreibmaschine, die den Status elektrisch erreicht hatte, landete auf dem Küchentisch. Zwischen Kochen und Tischdecken sollte sie ihre Dienste zur Verfügung stellen, für die Zeitspanne einer Seite. Mehr nicht. Eine Din-A4 Seite, einen Gedanken festhalten und möglichst dabei keine Unterbrechungen fabrizieren.

Lauthals klapperte die Mechanik. Eine sinnvolle Seite tippen für die Zeitdauer, bis die Kartoffeln kochen, so war die selbst gesetzte Vorgabe. Ohne Unterbrechung, ohne Korrekturen.

Fehler, sichtbare Tipp- und Gedankenfehler akzeptieren. Hartes Brot. Die schnelle Korrektur, die gewohnte Verbesserung von mangelnder Konzentration, von mangelndem Durchdenken fehlt. Annehmen, diesen dämlichen Fehlern schwarz auf weiß ins Gesicht sehen und die Gedanken mit Ablauf dieser einen Seite auf den Punkt bringen. Wann hatte man das zuletzt, dieses Sehen der eigenen Verfassung ..

Wie lange die alte elektrische Schreibmaschine in der Küche stand und in Betrieb war, bis die Kartoffeln gar gekocht waren und wie viel Papier verbraucht wurde und ob eine Seite fehlerfrei und inhaltlich sinnvoll abgeschlossen wurde und überhaupt, wie lange dieser Tick angehalten hat, ich will`s erzählen.

Oder besser doch nicht. Gedanken eilen den Fingern voraus.

4 Gedanken zu “Kerzenzeit ist immer … Meine Schreibmaschine

  1. Oh ja, so zu tippen, ohne Korrektur, da würde es bei meinem Zweifingeradlersuchsystem ewig dauern, bis ich etwas fertig hätte.
    Aber eine gute Übung neben dem Schreiben in der Kladde, das Schreiben noch bewusster zu machen.
    Schöne Gedanken!

    Beste Grüße,
    Syntaxia

    Gefällt 3 Personen

    1. Auch das Zehnfingersystem schützt nicht vor dämlichen Tipp- Rechtschreib- oder Denkfehlern. Man fühlt den Fehler quasi unter den Fingernägeln. Er grinst einem frech entgegen und man muss ihm ins Auge sehen …
      Herzliche Grüße Inge

      Gefällt 1 Person

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