Weihnachten … das Leben ist ein riesiger Spielplatz

Liebe Elisabeth,

Was ich Dir noch sagen wollte und es ist mir diese teure Briefmarke wert.

Du kennst doch meine angeheiratete Cousine, die Frau von Stefan aus dem kleinen Ort am Wasser. Da, wo unsere Nachbarin auch immer im Urlaub hinfährt. Dieses kleine Dorf an der Ostsee. Rita heißt die Frau von Stefan. Unsere Rita, Lamettabrause sage ich immer. Sie schmückt sich wie ein Tannenbaum. Im Ohr das Gebimmel und eine bummelige Kette um den Hals, so rauscht sie in ihrem Wallawalla-Rock an dir vorüber. Immer die Nase hoch.

Es wundert mich, dass die beiden, Stefan und Rita, noch zusammen sind.

Rita macht jetzt dauert Bilder mit ihrer Technik, schickt sie in der ganzen Verwandtschaft herum und wir sollen sie uns dann angucken. Lästig ist das. Man kann doch nicht ständig lobhudeln, wo es nichts zu loben gibt. Man kann sie doch nicht ständig in den siebten Himmel heben – nun sag Du doch mal etwas dazu. Dieser Selfikram geht mir so an die Nerven. Dann ruft sie auch noch an, ob wir ihre Bilder denn auch gesehen haben. Wenn ich schon ihren Namen am Telefon lese – ich mag gar nicht mehr den Hörer abnehmen. Hättest Du Dich getraut, liebe Elisabeth, so mir nichts dir nichts tausend Bilder von Dir zu machen? Was kostet das ein Geld, die ganze Ausstattung. Und glaub man ja nicht, dass sie auch nur auf einem einzigen Bild den gleichen Pullover trägt.

Das ist es ja, liebe Elisabeth. Das ist der Punkt, genau das ist es, warum ich Dir so schnell noch einmal schreibe. Was Rita macht, das ist ja ihre Sache. Damit muss Stefan klar kommen. Aber die Kinder. Für die Kinder hat sie keine Zeit bei ihrem Fotografiertick. Die Kinder tun mir so leid. Ob ich mich einmischen soll? Die andern hier meinen, dass mich das ganze nichts angeht. Liebe Elisabeth, man kann doch nicht beide Augen zu machen. Was meinst Du?

Hier um die Ecke ist auch so eine junge Frau allein mit ihren zwei Jungen. Sie könnte auch gut mal für ein paar Stunden jemanden gebrauchen. Aber man kann sich doch nicht überall einmischen. Was meinst Du? Schließlich sind sie selber Schuld an ihrer Misere, sagt meine Nachbarin. Wo man genauer hinsieht, überall gibt es was zu tun. Überall könnte man helfen, wenn man wollte.

Liebe Elisabeth, ich weiß, Du stehst mit beiden Beinen in der Welt und hast selbst früher mit Deinen Kindern einen Streifen mitgemacht. Du hast es nicht einfach gehabt, beide allein groß zu ziehen, weil Dein Mann so früh verstorben ist. Sicher, es waren andere Zeiten. Die jungen Eltern heute haben es aber auch nicht einfach. Das musst Du nicht denken. Man sieht es ja auch, wenn man mit offenen Augen hinschaut. So wie bei unserer Rita, so ist Vieles unter Lametta versteckt. Glaub mir, rosig haben es die Frauen heute auch nicht, die ihre Kinder allein großziehen.

Liebe Elisabeth, glaubst Du, dass wir, nun ja, zu altmodisch sind für die jungen Leute? Altmodisch fühle ich mich nämlich eigentlich noch nicht. Vielleicht reicht es auch schon, wenn wir den Kindern mal Geschichten erzählen oder vorlesen.

Liebe Elisabeth, wann hast Du Zeit, wir sollten darüber reden.

Beste Grüße und schöne Tage wünsche ich Dir, bis bald!

18 Gedanken zu “Weihnachten … das Leben ist ein riesiger Spielplatz

  1. Ein eigenartiges Phänomen ist das schon mit diesen Selfies, digitalen Bilder von einem selbst im Minutentakt…
    Aber heutzutage hat eben jede/r immer einen kleinen Fotoapparat mit dabei, zu jeder Tages- und Nachtzeit…
    Da kommt man wohl automatisch auf so einen Blödsinn!

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      1. … spannt man den Bogen zum Friedensgedanken, dann gilt es, den zerstörerischen Egoismus zu überwinden und ein Gefühl für die gesunde Eigenliebe zu fördern.

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      2. … sollten mehr Medaillen gedruckt werden und mehr Kordeln oder leuchtende Bänder zum Umhängen hergestellt werden? Und mehr Podeste mit unterschiedlichen Höhen? Bisher gibt es das nur für Sportler, so weit ich weiß …

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      3. … schon interessant, wenn man näher drüber nachdenkt. „Was du nicht im Kopfe hast, musst du in den Beinen haben.“ Lautet ein Sprichwort. Benutzt wird es, wenn man Dinge vergessen hat und man macht sich deswegen wiederholt auf den Weg. Sport treiben, um sich von der Last zu befreien, von der Last des Alltags … von der allgemeinen Last der Vergangenheit auch…?

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  2. Sport … anlaufen gegen Uhren, Messgeräte … Spiele: der Partner ist der Computer. Pseudo-Gemeinschaften nach dem Motto: ich und mein Ego. Die Selfies sind nur ein Ego-Betätigungsfeld von vielen. Kein Wunder, wenn Nachbarn weniger gegrüßt werden, wie soll man sie durch die eigene Dunstglocke hindurch überhaupt wahrnehmen können …

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